Sabato, 04 Giugno 2016 - 12:16 Comunicato 1177

Panama Papers: die Parallelwelt

Einer der besten Kenner der europäischen und globalen Steuerpolitik und zugleich des internationalen Steuerfluchtszenarios, der vormalige italienische Finanzminister Vincenco Visco, hat im Rahmen des Wirtschaftsfestivals von Trient anhand der vor wenigen Monaten veröffentlichten „Panama Papers“ eine geraffte Übersicht der Steuerflucht, der Steuerparadiese, der Hintermänner und der Perspektiven der Bekämpfung und Eliminierung dieses gigantischen Parallelsystems zur institutionell geregelten Weltwirtschaft geboten. Das Fazit seiner mit großem Interesse verfolgten Ausführungen: die Macht dieser Art von Parallelwirtschaft ist so groß, dass sie nicht ohne weiteres gebrochen werden kann, umso mehr, als sich dahinter Staatsinteressen und Mitspieler verbergen, wie etwa Großbritannien, die gar kein Interesse daran haben können, dass die „off-shore-Wirtschaft“, deren Umsätze jährlich auf zwischen 21.000 und 32.000 Milliarden Dollar geschätzt werden, systematisch und erfolgreich bekämpft wird.

Interessant ist, was Visco, ein Experte mit großer politischer und ökonomischer Erfahrung, am Ende seiner Ausführungen erklärte, als ihm die Frage gestellt wurde, was er zur bevorstehenden Abstimmung in England über dessen Austritt aus der EU (Brexit) denke. England sei von Anfang an ein Bremser im europäischen Einigungsprozess gewesen, weshalb man denken und sagen könnte, es wäre besser, wenn die Briten die Union verlassen, dann wäre diese Bremse weg. Doch könne er, Visco, diesen Wunsch nicht ganz mittragen, denn „weniger England bedeute mehr Deutschland in der EU“ und dafür könne man auch nicht sein. Das zum einen. Zum anderen, und was die Steuerflucht angeht, meinte Visco, da England einer der größten Förderer und Mitträger der Steueroasen und Steuerparadiese sei, würde es innerhalb der EU eher zu einer Regelung dieses auf Dauer untragbaren Zustandes bereit sein als außerhalb. Auch das müsste die Union berücksichtigen, da sie letztlich unter der Steuerflucht und der Existenz von Steuerparadiesen mit ihrer off-shore-Wirtschaft zu den großen Leidtragenden gehöre.

Die Enthüllung durch die Panama Papers habe aufgezeigt, wie umfangreich die Steuerflucht und mit ihr die „steuerbegünstigte“ Parallelwirtschaft weltweit sei. Visco nannte die ganze lange Reihe von Paradiesen, die sich im Verlaufe der Zeit gebildet hatten: Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein, die USA selbst, die Inseln der Karibik, aber auch Ostasien (Hongkong, China usw.), wo Hunderttausende von Firmen und Personen ihre Reichtümer vor der Steuer in Sicherheit brachten und bringen, und damit enorme Reichtümer den Haushalten der einzelnen Staaten entziehen.

Visco meint, dass diese weltweite Plage nur dann vermindert werden kann, wenn die Staatengemeinschaften sich effektiv zusammentun, wenn die Transparenz zum System erhoben wird und wenn einzelne Staaten von ihren Partikulärinteressen in diesem Sektor Abstand nehmen, eine in der Tat wenig erfolgreiche Aussicht. In der Zwischenzeit sind allerdings je über 200.000 von den Panama Papers genannten Adressaten in erhebliche Schwierigkeiten geraten, vor allem in der öffentlichen Meinung, aber das Ende ist ungewiss.

(fm)


Immagini