Giovedì, 02 Giugno 2016 - 19:27 Comunicato 1118

Kaum Arbeit ohne Humankapital

Was Fachleute sowohl der italienischen Wirtschaftsszene als vergleichsweise auch der globalen Situation längst vermutet und begründet haben, hat der als bester italienischer Experte der „angewandten Wirtschaft“ geltende Universitätsprofessor Enrico Moretti heute beim Festival der Wirtschaft in Trient auf den Punkt gebracht: Humankapital und damit verbundene Kreativität sind die unabdingbaren Voraussetzungen für qualitatives Wirtschaftswachstum, hohes Einkommen und Schaffung von attraktiven Wirtschaftspolen (clustern), führte Moretti, Prof. für Wirtschaft an der Universität von Berkeley in Kalifornien aus. Bei fast allen von ihm angeführten Parametern schneidet Italien allerdings nicht gut ab. Veraltet in der Struktur, im Denken, in der Motivation, im Streben nach vorne, nachhinkend in der Produktivität, im Einsatz seines Humankapitals, bei den Investitionen, gerät Italiens Volkswirtschaft immer mehr ins Hintertreffen.

Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass die Investition ins Humankapital, also in die Ausbildung des Einzelnen, ausschlaggebend geworden ist für Fortschritt und Wachstum. Dabei ist Bildung, zumindest aus wirtschaftlicher Sicht, nicht von genereller Valenz. Das zeigt sich auch in Italien. Hier gibt es „viel zu viele“ Akademiker in Sparten, die, das wirtschaftliche Wachstum nicht direkt betreffen und folglich Arbeitslose generieren. Das ist ein großes Manko. Das andere, nicht weniger bedeutsame, liegt darin, dass in Italien die gezielten und nach modernsten Gesichtspunkten ausgerichteten Investitionen fehlen, dass es zu wenig oder gar keine „clusters“ gibt, also Wachstumspole, die hohe Technologie mit begleitender Dienstleistung verbinden, wie dies zum Beispiel mit der US-Stadt Seattle (Stammsitz von Microsoft) der all ist. Wie Moretti aufzeigte, hat dort 1979 ein Unternehmen seinen Sitz gewählt, das die damals kriselnde Stadt in kurzer Zeit zu einem globalen Beispiel für technologischen und damit verbundenen wirtschaftlichen Fortschritt gemacht hat. Dabei ist, wie Moretti unterstrich, der Zuwachs an Arbeitsplätzen nur etwa zu einem Viertel auf die Hochtechnologie-Sparte zurückzuführen, die höheres Einkommen garantiert, aber gleichzeitig viermal so viele Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor generiert.
Solche „brain hubs“ gibt es vorherrschend in den USA, in China, Indien, aber kaum in Europa und schon gar nicht in Italien. Was bedeutet, dass die Wirtschaftsgeographie, die in den genannten Ländern auf eine zunehmende und schnelle Verstädterung hinführt, sich dort, wo der „richtige Bildungsweg“ eingeschlagen wird, schnell verändern wird, während andere Gebiete nachhinken und diese Unterlassung mit niedrigerem Einkommen, höherer Arbeitslosigkeit und Verlust von Marktchancen bezahlen.
Wo der technische Bildungsstandard hoch ist, ist die Arbeitslosigkeit geringer, obwohl der Anteil der Beschäftigen im produzierenden Gewerbe ständig abnimmt bzw. sich auf andere Ebenen verlegt. Hohe Ausbildung bildet Voraussetzung und Bereitschaft zur Innovation, zur Kreativität und erwiesenermaßen auch zu höherer Produktivität. Das könnte, so meinte der Vortragende, eine Lehre für Italien sein. Wer hier nicht mitmacht, bleibt zurück, mit allen sich daraus ergebenen Folgen, wie Europa im Vergleich zu anderen Gebieten des Globus schmerzhaft erfährt.

(fm)


Immagini