Domenica, 05 Giugno 2022 - 15:00 Comunicato 1715

Energiewende: Kein ideologischer Ansatz, sondern ein ernsthafter und realistischer Prozess

WIRTSCHAFTSFESTIVAL TRIENT – Wie steht es um die Wirtschaft? Nur wenige Personen können eine realistischere und genauere Momentaufnahme der aktuellen Situation geben als Emma Marcegaglia, Präsidentin und Geschäftsführerin der Marcegaglia-Gruppe, ehemalige Präsidentin der Confindustria, der Universität LUISS und des Energiekonzerns ENI. Emma Marcegaglia wurde vom Direktor der Tageszeitung L‘Adige Alberto Faustini interviewt und sprach über den Zustand unserer Wirtschaft nach den Auswirkungen der Pandemie und des Kriegs und kritisierte den ideologische Ansatz der Europäischen Kommission in Bezug auf die Energiewende.

„Natürlich haben wir ein gutes Jahr 2021 hinter uns. Das Auftragsvolumen im ersten Halbjahr hat zu zufriedenstellenden Ergebnissen geführt, aber es gibt auch einige ernsthafte Bedenken. Es muss gesagt werden, dass einige Probleme wie die Kosten für Rohstoffe und Energiequellen auf die Zeit vor dem Krieg zurückgehen. Die Art und Weise, wie wir alle vor Covid produzierten und einkauften, hatte nämlich einige Grenzen. Im Jahr 2020 kam es zu einer allgemeinen Stagnation und als sich die Wirtschaft Mitte 2021 – auch dank massiver Konjunkturanreize – wieder erholte, war das Wachstum gewaltig und infolgedessen stiegen die Preise stark an. Der Krieg hat diese Auswirkungen eigentlich nur nachhaltig verschärft. Zweifellos haben wir mit einigen schweren Problemen zu kämpfen, zum Beispiel mit enormen Strom- und Gaskosten und einem Anstieg der Rohstoffpreise. Die Aufträge reichen zwar bis Juni des nächstens Jahres, aber die derzeit eingehenden Aufträge sind erheblich zurückgegangen.“

Marcegaglia glaube zwar nicht, dass es zu einer schweren Rezension kommen werde, aber sicherlich zu einer deutlichen Verlangsamung, denn die Situation werde sich verschlechtern. Ab Juli werde die Wirtschaft zurückgehen, die Inflation bleibe weiterhin hoch und die Kosten erheblich.

Zur Energiewende erklärte Marcegaglia nachdrücklich, dass sie persönlich wie auch die ganze italienische Industrie voll und ganz von diesem Prozess überzeugt seien. Es sei ein wichtiges Thema und es liege in der Verantwortung der Unternehmen, in die Energiewende zu investieren. Allerdings habe sich der Prozess der Energieerzeugung radikal geändert und sei vor allem mit hohen Kosten verbunden. Sicherlich stelle die Energiewende für Europa eine große Chance dar und die Leadership von Europa in dieser Hinsicht werde auch weltweit anerkannt. Marcegaglia kritisierte jedoch, dass die Europäische Kommission einen ideologischen Ansatz, bei dem die Kosten und Auswirkungen auf die italienischen Produktionsketten nicht berücksichtigt werden, einem technologisch neutralen Ansatz vorziehe, indem sie nur den Weg in Bezug auf einige bestimmte Methoden vorgebe. Ihrer Meinung nach sei stattdessen ein ernsthafter, realistischer und nicht ideologischer Prozess erforderlich, bei dem alle Aspekte berücksichtigt werden.

In Bezug auf die Diversifizierung der erneuerbaren Energiequellen verwies Marcegalia auf die starke Abhängigkeit Italiens von Gas und Strom: „Wir sind ein Industrieland mit einem hohen Bedarf an Gas und wir sind stark vom russischen Gas abhängig. Wir müssen bedenken, dass das Problem in Angriff genommen wird. Die Diversifizierung der Energiequellen ist zwar eine Lösung, aber das Gas wird weiterhin eine wichtige Rolle in der Energiewende spielen.“

Italien sei daher benachteiligt, aber die Regierung bewege sich in die richtige Richtung. Marcegaglia würde lediglich dazu raten, strukturiertere Maßnahmen zu ergreifen, wie zum Beispiel mehr Gas im eigenen Land zu produzieren, mehr erneuerbare Energie einzusetzen, in die Wiederverwendung der CO2-Emissionen zu investieren und alle verfügbaren Methoden zu nutzen.

(us)


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