Auf der Bühne des ausverkauften Teatro Sociale sprach Joseph Stiglitz, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften und Professor an der Columbia University, am dritten Tag des Wirtschaftsfestivals Trient. In seiner Ansprache “Der Kapitalismus braucht Reformen” ging er auf mehrere heikle Punkte ein, von zunehmender Ungleichheit bis hin zur Umweltkrise. Er erklärte: "Der Kapitalismus muss dringend reformiert werden, denn wir sind mit mehreren Krisen konfrontiert. Nehmen wir die Klimakrise als Beispiel: Italien hat mit Überschwemmungen zu kämpfen, und in den USA gab es Wirbelstürme und Waldbrände... extreme Wetterereignisse, die die Gesellschaft übermäßig belasten. Wir sind auch mit einer Krise der Ungleichheit konfrontiert, einer Verlangsamung unseres Wachstums, wobei die Vorteile den Menschen an der Spitze zugutekommen, nicht aber den Menschen am unteren Ende des sozialen Spektrums. Der Kapitalismus funktioniert nicht so, wie er eigentlich funktionieren sollte".
Anschließend erläuterte er, wie ein reformierter Kapitalismus aussehen könnte, den er als “progressiven Kapitalismus” bezeichnet: “Die Grundidee ist, dass man in einer komplexen Wirtschaft des 20. Jahrhunderts Dezentralisierung braucht. Gewinnorientierte und gemeinnützige Einrichtungen müssen kooperieren. Der progressive Kapitalismus umfasst eine Vielzahl von Akteuren und erfordert eine stärkere Rolle des Staates. Wir erkennen jetzt, insbesondere nach der Pandemie, wie wichtig der Staat ist”. Der Staat sei ein wichtiger Akteur in der Finanzierung der Impfstoffforschung und der Verbreitung des Impfstoffs, aber auch bei der Unterstützung der Wirtschaft, damit diese nicht in eine Krise schlittere, die schlimmer hätte sein können als die Weltwirtschaftskrise. “Wir haben auch erkannt, dass der Markt alle Probleme, die ich beschrieben habe, geschaffen hat, aber er wird sie nicht lösen. Der progressive Kapitalismus hingegen wird das können”.
Seiner Ansicht nach sind die USA ein interessantes Fallbeispiel für eine Analyse, da sie als Inbegriff für den Kapitalismus konkret die damit verbundenen Probleme darstellen. Europa sollte nicht dem Beispiel der USA folgen, sondern von ihnen lernen und differenzierte Schritte unternehmen, um zu vermeiden, mit den selben Problemen konfrontiert zu werden. Auch die Stabilitäts- und Wachstumspakte müssen reformiert werden, denn “man kann mit gebundenen Händen die grüne Revolution nicht schaffen und ebenso nicht investieren. Es gibt keine wirtschaftlichen Grundlagen. Italien spricht von einer grünen, goldenen Regel, und das halte ich für absolut richtig”.
Auf Aufforderung von Donelli betonte Stiglitz zum Abschluss noch einmal, dass Politik und Wirtschaft nicht voneinander zu trennen seien. “Wir müssen Regeln aufstellen, die üblicherweise im politischen Raum Gültigkeit finden. Das Problem ist, dass der politische Raum durch die neoliberale Ideologie eingeengt wurde, und die neoliberale Ideologie nie eine gute Ideologie war. Wir hatten falsche, die Handlungsfähigkeit limitierende Regeln für die Regierungen, und keine Regeln für die Wirtschaft. Das hat nicht gut funktioniert. Wir müssen den privaten Sektor regulieren, dem öffentlichen Sektor mehr Raum geben und uns auf einen progressiven Kapitalismus zubewegen".
Das Programm des viertägigen Festivals ist auf der Website festivaleconomia.it abrufbar, wo alle Veranstaltungen und Redner veröffentlicht sind.
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