Sabato, 04 Giugno 2016 - 15:04 Comunicato 1189

Der Journalismus hat vier Herren

Wenn es stimmt, dass man nicht zwei Herrn gleichzeitig dienen kann, dann befindet sich der Journalismus in einer wirklich schweren Klemme, denn um ihn bemühen sich nicht zwei, sondern mindestens vier „Herren“: der Markt, der Chefredakteur, der Herausgeber, die Wahrheit , wobei diese Reihung nach der Bedeutung des jeweiligen „Herrn“ abgestuft ist. So hat es der Mitarbeiter des „Financial Times“, John Lloyd, im Rahmen des Festivals der Wirtschaft in Trient dargestellt. Zur Debatte standen „Die Herausforderungen des Wirtschaftsjournalismus“, der sich wesentlich vom „generellen Journalismus“ unterscheidet, der in erster Linie auf Emotion, Sensation, Spannung ausgerichtet ist, ungeachtet des Wahrheitsgehalts, der eine absolut nebensächliche Rolle spielt (etwa bei den Berichten der englischen tabloid-Presse über Königshaus und Adel).

Die Wirtschaft, so John Lloyd, aber auch der Verleger Giuseppe Laterza, der Direktor der italienischen Wirtschaftszeitung „Sole – 24 Ore“, Roberto Napoletano, und der vormalige Regierungschef („dottor sottile“) Giuliano Amato, kann sich – sollte sich können – die Emotionen nicht leisten, sondern muss sich an die Realität halten, wie dies in der Wirtschaft üblich ist. Denn Wirtschaft ist konkret. Aber nicht immer. Auch Wirtschaft – und Wirtschaftsjournalismus – kann gleich gerichtet sein. Das hat sich, wie Lloyd aufzeigte, anlässlich der weltweiten Krise von 2008 gezeigt. Da wurden die Gefahren einer Krise, einer Explosion der Immobilienblase in den USA, der Bankenzusammenbrüche, geschlossen in Abrede gestellt. Eine Bestätigung des Umstandes, wie Lloyd erklärte, dass die Wirtschaft, die ansonsten viel auf Realität und Wahrheit und Meinungsfreiheit und Vielfalt hält, im Krisenfall auf eine gemeinsame Linie einschwenkt, auch auf die Gefahr hin, damit falsch zu liegen, wie die Krise von 200 8 gezeigt hat.

Dennoch unterscheidet sich Wirtschaftsjournalismus im Grunde stark vom „Emotionsjournalismus“. Das Prinzip lautet hier: Jede Nachricht, die veröffentlich wird, sollte zumindest von zwei Quellen belegt werden können; eine Quelle allein ist in der Regel nie ausreichend. Zu diesem Grundsatz bekennt sich Italiens bekannteste und glaubwürdigste Wirtschaftszeitung, der „Sole – 24 Ore“, der allerdings von vier Herren nicht überzeugt ist, sondern sich mit einem einzigen Herrn, dem Markt, abfindet, allerdings auch die Bedeutung des investigativen Journalismus für enorm wichtig und als Verpflichtung für den Wirtschaftsjournalismus ansieht.

Giuliano Amato schlägt in dieselbe Kerbe. Der Journalist sollte nicht der Emotion, der Empörung, dem Horror, der Abneigung Folge leisten, sondern allein der Realität, der Wahrheit. Aus dieser Überlegung heraus ist eine Nähe Politik-Journalismus eher zu vermeiden, denn anders als der Wahrheit suchende Journalismus erweist sich die Politik vor allem in Krisensituationen zu labil und damit auch oft wenig vertrauenswürdig. Das zeigt sich besonders in einer Hinsicht: Die Politik, so Amato, habe es versäumt, gezielt und überzeugend auf eine Realität hinzuweisen, welche die menschliche Gesellschaft eigentlich erschüttern müsste: die Zunahme der Ungleichheit zwischen den sozialen Schichten, das Auftreten von nie dagewesenem Reichtum weniger, die Hilflosigkeit der unteren Schichten, die wenig oder nichts haben. Auch der Wirtschaftsjournalismus habe diese Entwicklung viel zu wenig aufgegriffen und daher eine seiner wichtigen Aufgaben hintan gestellt.

(fm)


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