Sabato, 05 Giugno 2021 - 19:12 Comunicato 1430

Auf dem Weg zu einer Agenda für die Gesundheit

Die europäischen Gesundheitssysteme wurden von der Pandemie unter starken Druck gesetzt. Eine Neuordnung ist notwendig, wenn die EU das „gesündeste Gebiet der Welt“ bleiben will. In Italien heißt die Herausforderung Aufbau eines integrierten Modells unter Einbeziehung von Nahversorgung und Telemedizin, Staat und Regionen, öffentlichem und privatem Sektor. In anderen Worten, es bedarf einer Agenda für die Gesundheit. Darüber sprachen beim Diskussionsforum des Festivals Ilaria Capua, die Leiterin des Exzellenzzentrums One Health an der Universität von Florida, Sabina Nuti, Rektorin der Scuola Superiore Sant’Anna di Pisa, Walter Ricciardi, Dozent an der Università Cattolica in Rom und Berater des Gesundheitsministers, Marco Vecchietti, Geschäftsführer und Generaldirektor von Intesa Sanpaolo RBM Salute, Gilberto Turati, Dozent für Finanzwissenschaft an der Università Cattolica in Rom, sowie Paola Pica, Journalistin der Tageszeitung Corriere della Sera.

Wer soll Entscheidungen zu Gesundheitsthemen treffen? Soll das Organisationsmodell zentralisiert oder dezentralisiert sein? Welche Rolle spielt der Privatsektor bei der Erbringung von Gesundheits- und Sozialdiensten und bei deren Finanzierung? Das sind Themen – so Turati – die in Italien in erster Linie in einer von Konflikten geprägten Gegenüberstellung von Staat und Regionen debattiert werden. Aber auch die Europäische Union hat eine immer stärker durchdringende Rolle. Ohne die Weltgesundheitsorganisation zu vergessen, vor allem wenn es um globale Notlagen bzw. globale Prophylaxe geht. Allgemein ausgedrückt, gibt es Entscheidungen, die auf einer Makroebene zu treffen sind, wie z.B. Entscheidungen im Zusammenhang mit der Impfkampagne. Die Governance, die Umsetzung der auf höherer Ebene getroffenen Entscheidungen kann auf die lokale Ebene verlagert werden. Eine Dezentralisierung kann sowohl im Hinblick auf die Wirksamkeit der Maßnahmen, als auch auf deren Wirtschaftlichkeit vorteilhaft sein. Damit dies geschehen kann, sind jedoch Investitionen auf territorialer Ebene notwendig, Investitionen in die Hausärzte, in die Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren, auch außerhalb der Krankenhäuser.

Vecchietti spricht über die Rolle des privaten Gesundheitswesens und geht dabei auf Versicherungsaspekte ein. In Italien bewegt dieser Sektor 140 Milliarden Euro. Italien liegt an 22. Stelle der europäischen Länder, was Schadenversicherungen angeht, mit nur 33 Milliarden Geldanlagen, aber an achter Stelle in der Sparte Leben. Von diesen 33 Milliarden entfällt nur ein sehr kleiner Anteil auf die Krankenversicherung. Es fehlt an der Kultur der privaten Krankenzusatzversicherung, als Ergänzung zur Absicherung durch das öffentliche Gesundheitswesen. Es fehlt an einem Verbindungsglied zwischen der Versicherungswelt und dem öffentlichen Gesundheitswesen, im Unterschied zu GB oder Frankreich, wo die Integration zwischen diesen beiden “Welten” ein wichtiges Element der Gesamtversorgung darstellt. 

Ricciardi spricht über das Krankenhaus als eine weitere wichtige Säule des Gesundheitswesens, das in Italien große Ungleichheiten aufweist. Wir haben Exzellenzzentren auf der einen Seite, baufällige Einrichtungen auf der anderen. Ein weiteres Problem ist die Big-Data-Vernetzung. In Italien, wo das Gesundheitswesen unter die Zuständigkeit der Regionen fällt, haben wir 21 verschiedene IT-Systeme, die nicht miteinander kommunizieren. Das geht soweit, dass eine Person, die ihre Impfungen in einer Region beginnt und dann in eine andere Region umzieht, ihre Impfdaten nicht mitnimmt.

Auch Nuti spricht über die Regionen. Es bedarf natürlich einer zentralen Steuerung, wenn man sich in einer pandemie-bedingten Notlage befindet, eines klaren Bezugspunktes, wo Entscheidungen getroffen werden, die auch auf lokaler Ebene bindend sind. Dabei darf man jedoch nicht vergessen, dass Zentralisierung nicht immer eine Garantie für gute Ergebnisse ist. Das Gesundheitswesen hat hohe Festkosten, die sich nur schwer weiter verringern lassen (nach den in der Vergangenheit bereits umgesetzten Sparmaßnahmen). Diese Kosten lassen sich nicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder hereinholen, wie es bei einer Produktionslinie der Fall ist. Das italienische Gesundheitswesen ist ein sehr starres System und daran sollte man arbeiten.

Capua merkt an, dass das Verhalten der Jüngeren hingegen ganz und gar nicht starr ist. Die Next Generation antwortet positiv auf den Impfappell, vielleicht auch weil die Impfung mit mehr Freiheit einhergeht. Die Zukunft ist jedoch nicht sehr ermutigend: Früher oder später kommt ganz sicher eine erneute Pandemie, weil der Übergang von Viren vom Tier auf den Menschen ein “normales” Phänomen ist, und weil die Globalisierung der Sache den Rest gibt. Aber noch eine Pandemie wie die Covid-19-Pandemie können wir uns nicht leisten. Wir müssen deshalb die große Energie für Änderungen, die die Pandemie mit sich bringt, nutzen, um die Zukunft anders zu gestalten. Das ist sicher alles andere als einfach, wenn die Regierungen einiger der “Spitzenstaaten” auf der Welt die Arbeit der Wissenschaft und der Ärzte verleugnen, wie es in den letzten Monaten geschehen ist. An die Pandemien muss man zunächst glauben. Dann gibt es wichtige, auch technische Probleme zu lösen. Es ist unmöglich, an weltweite Impfkampagnen zu denken, die eine “Kühlkette” brauchen. Es muss mehr und besser in die Wissenschaft investiert werden, in die Governance der Gesundheitssysteme, in den Zugang zu den Behandlungen – nicht nur zu den Impfungen – für alle, damit wir bereit sind für die Herausforderungen, denen wir uns sicher werden stellen müssen.

(fm)


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